Basketballplatz

Der Wind ließ die Blätter über seinen Kopf rascheln, was sich gemeinsam mit den fernen Stimmen der anderen Studenten und Schülern zu einer angenehmen Hintergrundmusik vermischte. Es war nicht absolute Stille, wie er es bevorzugte, aber es kam nah dran.
Der Baum welcher ihm Schatten spendete, schirmte ihn auch weites gehend davon ab gesehen zu werden. Er hoffte es würde sich auch niemand hierher verirren und wenn doch, würde er denjenigen schnell wieder los werden. Meist reichte ein Blick und die Leute verzogen sich wieder. Der nächste Schritt, wenn er sich dann in seiner Ruhe gestört fühlte, war es seine Kräfte spielen zu lassen. Ob jetzt körperlich oder dämonischen Ursprunges.
Gemächlich zündete er sich eine Zigarette an und trank einen Schluck Kaffee.
Das beste Frühstück und das einzige was man brauchte.

Mit dem Handy am Ohr schritt die Braunhaarige in Richtung der Sportplätze. Morgens konnte man dort ungestört telefonieren und das war das, was sie brauchte um mit ihrer Schwester und ihren Nichten reden zu können. Musste ja nicht gleich jeder mitbekommen, wie sie mit ihren 4-jährigen Nichten am Telefon redete. Sie liebte die beiden abgöttisch und beneidete ihre Schwester manchmal. Diese sagte ihr immer wieder, dass Rici ja noch so jung sei und noch so viel Zeit hatte. Recht hatte sie damit wohl. Melinda war knapp 9 Jahre älter als Ricarda und damit 28 Jahre jung. Sie war verheiratet und hatte die Zwillinge bekommen. Seitdem hatte sich ihr Verhältnis nurnoch verbessert und sie sahen sich so oft wie möglich. In den übrigen Momenten telefonierten sie wenigstens, denn Melinda lebte außerhalb von NewYork und arbeitete dort als Krankenschwester.
Während sie Nina zuhörte wie sie, noch sehr brüchig, über ihren Ausflug in den Zoo berichtete, setzte Rici sich an eine der großen Eichen die im Park stand. "Und habt ihr auch Elefanten gesehen?" fragte Ricarda. "Wie schön. Aber jetzt muss ich nochmal mit Mutti sprechen, gibst du sie mir mal?" Die junge Frau wartete und konnte sich vor ihrem inneren Augen gut vorstellen wie das kleine Mädchen das große Handy an ihre Mutter weiterreichte.
Sie sprach noch eine ganze Weile mit ihrer großen Schwester über die beiden kleinen und über die Pläne der Woche, ehe sie sich daran machten sich zu verabschieden was wie immer ewig dauern würde. "Dann sehen wir uns am Samstag ... ja ... ja genau ... Aquarium ... bis Samstag ja, tschaui ich hab dich lieb Mel. Jaa, jaaa dich auch Nele ..."

Nach und nach kam eine Stimme näher, welche telefonierte. Dies erkannte er daran, dass es Pausen zwischen dem gesagten gab und die Person auf Fragen zu antworten schien.
Es nervte ihn. Sehr.
Vor allem als diese Person sich auch noch einen Baum weiter hinpflanzte. Es war penetrant, nervtötend und absurd dabei zuhören zu müssen, wie Liebkosungen mit Kindern ausgetauscht wurden.
Sich erhebend, trat er aus den Schatten des Baumes und ging halb um diesen herum, bis er schließlich vor der jungen Frau stand die gerade ihr Telefon wegsteckte. Durch seine Größe fiel sein Schatten auf ihre sitzende Position und sie blickte überrascht zu ihm hoch.

„Beim nächsten Mal wenn du penetrant telefonieren musst, erinner dich doch daran das du nicht die einzige Person mit einem funktionierendem Gehör bist, ja? Nicht jeder möchte deine schrille Stimme hören, also wäre es ratsam wenn du um ein, zwei Oktaven leiser sprichst.“, sprach er sie kalt und ohne jegliche Emotion in seiner Stimme an.
Er war bekannt dafür schnell aus der Haut zu fahren und da Worte nun mal auch Waffen waren, schlug er gerne zuerst mit diesen zu.
„Und noch ein Tipp, kleines Waschweib, dank deines enorm lauten Telefonats habe ich nun private Informationen über dich. Vielleicht noch ein Grund leiser zu telefonieren.“ Diesmal klang seine Stimme bedrohlich, auch wenn er es nicht so meinte.

Als sich ein Schatten über ihr aufbaute hob sie automatisch ihren Kopf. Sie kannte den Typen der da vor ihr stand. Nur von weitem. Nicht seinen Namen. Nur sein Aussehen und das Gerede der anderen. Viele redeten über ihn und das nicht unbedingt positiv. Aber sobald er auftauchte zogen die meisten den Schwanz ein und machten einen großen Bogen um ihn. Ricarda war auch nie sonderlich scharf auf eine Begegnung gewesen, aber jetzt war es wohl passiert. "Ich hab dich nicht gesehen ..." murmelte sie und wandte den Blick ab. Sie wollte keinen Stress, vor allem nicht mit jemandem der gefühlt doppelt so groß war wie sie. Sie war sowieso nie wirklich auf Aufmerksamkeit aus. Die Worte und Beleidigungen prallten an ihr ab. So soll er wohl zu jedem sein, daher machte sie sich keine Gedanken und wollte sich auf machen und gehen. Doch er begang einen gewaltigen Fehler mit seinem letzten Satz.
Wenn sie auch sonst schüchtern und zurückhaltend war: Wer auch nur eine kleine Andeutung in Richtung ihrer Familie machte, die sie als Drohung auffassen konnte, wurde gegrillt. "Was hast du da grade gesagt?" ihr wurde warm und das war nicht das Gute warm. Sondern das, wenn sie merkte, dass sie sauer wurde. Sie spürte wie das Feuer in ihr aufloderte und sie konnte es nach all den Jahren noch immer nicht richtig kontrollieren. "Drohst du meiner Familie?" Ihre Hände fingen Feuer und sie funkelte ihn mit rot leuchtenden Augen an.

Es überraschte ihn wie die kleine Frau von schüchtern zu aufbrausend mutierte. Und als ihre Hände in Flammen standen, wurde er leicht nachdenklich. Er könnte es auf einen Kampf ankommen lassen, Dämonen waren in der Hölle entstanden und dementsprechend meist feuerfest. Weh tun würde es auf jeden Fall, vielleicht sogar höllisch weh tun, aber er wusste nicht so recht ob sich die Schmerzen lohnen würden.
Und die Tatsache, dass sich dies hier wirklich in die Länge ziehen könnte, nervte ihn an. Seine Lust noch weiter Zeit mit diesen Familienmensch zu verbringen, tendierte ins Minus. Wiederum könnte er seinen angestauten Frust los werden.

Was tun, was tun…

Dann fiel ihm auf wie lustig der Knirps war, in dem Versuch bedrohlich auf ihn zu wirken. Alleine schon die Tatsache das jemand der ihm gerade mal bis zur Brust reichte, es versuchte es mit ihm aufzunehmen, war verdammt lustig!
Dementsprechend kämpfte sich auch ein tiefes Lachen aus seiner Kehle empor und er hielt dem Mädchen mit dem mörderischen Blick einen Zeigefinger entgegen, in der Bedeutung das diese kur warten möge, bis er fertig mit Lachen war.
Er konnte diesen Anblick einfach nicht ernst nehmen.
„Gut, gut...“, brummte er schließlich, als er sich beruhigt hatte. „Du solltest eindeutig deine Ohren überprüfen, nicht nur weil du dich viel zu laut mitteilst sondern auch weil Drohungen und ein höflicher Rat zwei verschiedene Sachen sind.“
Dann schwieg er kurz, wobei er sie mit seinen dunklen Augen fixierte, ehe er bedrohlich weiter zischte: „Auch wenn der Campus stets als friedvoll empfunden wird, ist er das nicht. Merk dir also wie du mit deinen privaten Inormationen in Zukunft hausieren gehst, kleine Magierin.“
Und dies war wirklich ein nett gemeinter Rat. Viele vergaßen, dass die Kreaturen sich immer noch nicht grün waren und das im Hintergrund private Kriege und Intrigen abliefen.
Nur weil ein Vampir, Werwolf oder Magier einen anlächelte hieß es nicht das dieser einen nicht auch hinterrücks töten würde.

Sie zwang sich tief durchzuatmen. Die Flammen erloschen. Zumindest äußerlich. Ihr war noch immer warm von innen und das war auch gut so. Sie analysierte ihre Umgebung, schätzte ihre Möglichkeiten ab und wurde immer zorniger je länger sie das Lachen des Großen hörte. Loyalität gegenüber ihren Liebsten gehörte für sie einfach dazu. Das machten sie und ihre Schwester schon immer so, dass sie sich egal wie wann und warum gegenseitig verteidigten. Nur, dass Ricarda sich schnell angegriffen fühlte, wie die aktuelle Situation bewies.
"Du verstehst es einfach nicht, oder?" fragte sie und jetzt musste sie leise lachen. Die Tatsache, dass er sie unterschätzte und dies auchnoch so offen zur Schau stellte sollte er bereuen. Gut, dass die meisten Studenten in den Vorlesungen waren und das Basketballfeld recht abgeschieden war.
Ein flüchtiges Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit. "Unterschätze mich niemals, du arroganter Wichser!" und dann knallte es. Der Boden explodierte, Ricarda lenkte den Wind gegen den Dämon und dieser wurde durch die gewaltige Druckwelle ein ganzes Stück nach hinten geschleudert. Er landete hart auf dem Rücken. Zuletzt feuerte sie ihm einen Stoß Flammen entgegen, der ihn und das Gras um ihn herum ansengte.
Der Flammensturm war größer als gewollt und hätte einen normalen Menschen vermutlich stark verbrannt, wenn nicht sogar lebensbedrohlich verletzt. Damit waren Ricardas Kräfte mit einem Mal aufgezehrt und sie begann zu taumeln ...

Der Dämon taumelte, nach diesem gewaltigen Angriff und spuckte demonstrativ Blut einmal aus, da er sich auf die Wangeninnenseite gebissen hatte, als er durch die Luft gewirbelt wurde.
Abgefahrener Scheiß, dachte er sich.
Er hatte ja schon viel erlebt, aber den Boden unter den Füßen zu verlieren und das wörtlich gemeint, dazu durch die Luft zu fliegen und auch noch geröstet zu werden, dass war ihm noch nie passiert.
Und er konnte immerhin behaupten schon mal im Höllenfeuer gewesen zu sein.
Mit seinen verkohlten Ärmel wischte er sich einmal durchs Gesicht. Seine Nase blutete, nicht das erste Mal, doch zeigte dies das der Angriff heftig gewesen war.
Ein Glück bestand er auf eine Glatze, damit seine Tattoos zur Geltung kamen, ansonsten hätte er jetzt wie ein Wahnsinniger auf seinen Haaren herum klopfen müssen.
Stattdessen, strich er lässig über die noch glimmenden und rauchenden Stellen seiner Kleidung, absorbierte dabei mit seinen Handflächen die Wärme. Schmerzhaft, aber so sah er nicht wie ein Flächenbrand aus.
Eine Furche bildete sich auf seinem Gesicht, je näher er der Magierin kam. Aufgebracht war nicht wirklich das Wort was seinen Gemütszustand beschrieb.

Er war hochgradig angepisst.

Je mehr Weg er zurück legte und es war ein gewaltige Länge Weg, was man ihr lassen musste, umso mehr fing er an sich zu regenerieren. Es schmerzte, tat es dies doch immer, wenn sein Körper sich heilte und die dämonische Magie, die sein eigen war, versuchte seinen Körper in den Normalzustand zurück zu versetzen.
„Bist du eigentlich verfickt nochmal dumm, Göre? Oder hat deine Mama dich zu oft fallen lassen als kleines Kind?“, fing er an, wobei seine Stimme sich langsam erhob und er einen Funken seiner Macht in diese zu legen, damit diese nun wirklich bedrohlich, wenn nicht sogar zum fürchten klang. Dies war wahrhaft eine dämonische Stimme, mit welcher er nun sprach.
„Du solltest lernen zu denken bevor du handelst. Es gibt Kreaturen die stärker sind und die nicht so gütig sind wie ich.“
Seine Hand legte sich um ihren Kragen, ob sie zu stützen, denn sie sah nun jämmerlich schwach aus oder um sie gleich zu erwürgen, war sich Zeron noch nicht sicher.
„Hätte ich deine Familie bedrohen wollen, würde ich nicht erst mit dir reden, sondern sie direkt abschlachten. Es ist kein Kunststück heutzutage eine Adresse herauszufinden. Und für mich, einen Dämon, brauche ich lediglich einen Namen. Du hast dich gänzlich umsonst zum Idioten gemacht. Aber nettes Feuer, mir war schon ewig nicht mehr so warm.“
Das er heute Abend sich zurückziehen musste, damit seine Energiereserven wieder aufgefüllt wurden, musste sie ja nicht wissen. Und auch nicht wie viel es ihn kostete, seinen Körper zu regenerieren.
Kurz blickte er ihr mit seinen gänzlich schwarzen Augen in ihre, ehe er meinte: "Komm, du brauchst eindeutig die Krankenstation. Und da ich dich gewiss nicht tragen werde, solltest du dich jetzt zusammenreißen."

Seine Worte kamen nurnoch halb bei ihr an, sie war dabei das Bewusstsein zu verlieren. Sie fühlte sich als würde sie in ein tiefes schwarzes Loch fallen, so wie vor einer Operation wenn der Arzt sagt, dass man vom 10 rückwärts runterzählen soll und man nur bis zur 8 kommt.
So ähnlich war es mit den Worten des Dämons, sie erwiderte seinen Blick verschwommen und bekam nurnoch ein schwaches "nicht ..." über die Lippen, ehe sie sich grade noch an seinem T-Shirt festhalten konnte und gegen ihn kippte.

Dieser Tag würde eindeutig in seine Top Zehn von nervigsten Tagen in seinem Leben eingehen. Frustriert schaute er auf das Mädchen in seinen Armen. Wenn er jetzt einfach einen Schritt nach hinten gehen würde, würde sie hinfallen. Fast war er versucht dies einfach geschehen zu lassen, schließlich hatte sie sich auch nicht gerade wie eine Dame verhalten.
Aber Zeron war besser. Er ist immer besser als seine Mitmenschen.
Bisschen rüppig zwar, aber immerhin knallte sie nicht auf den Boden, legte er sie auf dem Untergrund ab.
Sie auf die Krankenstation zu bringen hatte er keinen Bock drauf. Er war schließlich kein Märchenprinz und ein Gentleman schon mal gar nicht.
Sein Smartphone hervor holend, wählte er die Nummer der universitätseigenen Krankenschwester. Nach einer seiner Prügeleien, die zum Nachteil seiner Gegner ausgegangen waren, hatte er es sich angewöhnt die Schwester anzurufen, damit sie seinen Müll beseitigte oder besser gesagt sich den Personen annahm. Dies tat sie auch gerne, war sie einer dieser unerträgliche ‚Ich liebe und kümmere mich um meinen Nächsten‘ Menschen. Ekelhaft.

„Hey Dorothy. Am Basketballfeld meinte es eine Magierin übertreiben zu müssen, so dass sie ohnmächtig geworden ist. Ich denke sie sollte vielleicht paar Stunden in einem deiner Betten schlafen.“
Nach der Zusage, dass diese kommen würde, legte er auf. Und als er in der Ferne, den leicht ergrauten Schopf sah, entschwand er.

[Geht zu Unbekannt]